Ein Tag der Typografie: Europäische Ansichten in Sachen Typografie
Der Ansturm auf den diesjährigen Tag der Typografie war mit 350 Besucherinnen und Besucher enorm. Nach einem musikalischen Einstieg führte Richard Frick durch den 18. Tag der Typografie im Zürcher Technopark. Dieses Jahr stand die Veranstaltung unter dem Motto «Eurotypo», und die vier Vorträge verbanden die Ansichten und Arbeitsweisen von Typografen und Gestalterinnen aus Europa.
Den Auftakt machten drei Gestalter, die dem Zürcher Theater am Neumarkt ein neues Erscheinungsbild entwarfen. Dabei gingen Félix Müller aus Paris und Claudia Wildermuth aus Zürich einen Weg, der sich von den üblichen Corporate Designs der Theaterwelt abhebt. Statt eines Programmheftes im DIN-lang-Format wurde eine Theaterzeitung mit redaktionellen Beiträgen konzipiert. Ausgangspunkt war, dass «Kommunikationskonzepte, welche zur geistigen Auseiandersetzung anregen möchten und bei den Empfängerinnen und Empfängern ein bestimmtes Mass an intellektuelen Fähigkeiten und kulturellen Referenzen vorausetzen, (...) in Werbekreisen gerne als elitär eingestuft»werden. Diese Haltung wurde zu Recht als mangelnder Respekt vor der Öffentlichkeit bezeichnet. Chrakteristisch ist dabei die Kombination von Bilder aus dem Alltagsleben, aufgenommen mit digitalen Videokameras, und inszenierte Aufnahmen des Fotografen Stephan Rappo. (www.theateramneumarkt.ch).
Im Anschluss führte Johanna Bil´ak das Publikum durch die Geschichte slowakischer und tschechischer Schriftgestaltung. Sie zeigte Schriften und typografische Arbeiten der in Westeuropa kaum bekannten Designer vom Anfang des 20. Jahrhunderts wie Vojtěch Preissig oder Oldřich Menhart und ebenso der jüngeren Gestalter wie František Štorm, Tomas Brousil oder Zuzanna Ličko. Dies machte neugierig auf die von ihr mitkonzipierte Ausstellung «e-a-t» (experiment and typography, www.e-a-t.org). Im Anschluss erläuterte Peter Bil´ak am Beispiel eines Redesigns einer slowakischen Zeitung die besonderen Anforderungen an eine Schrift, um slowakische Texte mit vielen diakritischen Zeichen lesbar und typografisch korrekt wiederzugeben. Einen gänzlichen anderen Ansatz beleuchtete die Präsentation seiner Arbeiten mit modernen Tanzensembles (www.typotheque.com).
Die Mittagspause unterbrach den typografischen mit kulinarischem Input. Als zweites Dessert gab es den Film «Fast Type, Slow Type» von Noëmi Bachmann, Christine Kaufmann, Eliane Wehrli und Jolanda Eberhard, Studentinnen der Schule für Gestaltung in Basel. Der Kurzfilm behandelt mit viel Humor die Legende, wonach in früheren Zeiten in der Schweiz Buchstaben statt in Granit in Schokoladentafeln eingemeisselt wurden.
Danach ging es weiter mit einem Ausflug in die fast schon verlorene Welt der Holzlettern, die Daniel Janssen aus Hamburg zum Thema seiner Diplomarbeit gemacht hatte. Er recherchierte zur Entwicklung von Holzlettern für den Plakatdruck, baute die Maschinen der Gedi-Schriften für das Hamburger Museum für Arbeit auf und eignete sich das Wissen der Holzlettern-Herstellung autodidaktisch an, denn Handbücher gab es zu den individuell angefertigten Maschinen nicht. Am Ende standen ein Schriftmusterbuch, experimentelle Drucke und ein Corporate Design für die Holzlettern Manufaktur Hamburg (www.bfgjanssen.de).
Mit dem vierten Vortrag schaffte es Yves Zimmermann, dass sicherlich mehrere Anwesende schnell einen Blick in ihr Portemonnaie warfen, um sich ihre Geldscheine etwas genauer anzuschauen. Er berichtete vom Wettbewerb der EU für das Design der Euro-Banknoten, an dem er für Spanien teilnahm. Beim Design der Banknoten spielten nicht nur gestalterisch-konzeptionelle Vorgaben eine Rolle, sondern auch viele technische Anforderungen, die eine Fälschung möglichst verhindern sollen. So werden beispielsweise die Euroscheine in vier verschiedenen Druckverfahren produziert, um die Fälschung mit Farbkopierern zu verhindern.
Alle Vorträge sind in der Ausgabe 5/6 der «Typografischen Monatsblätter» nachzulesen
und
machen Vorfreude auf den Tag der Typografie 2007.
Peter Reichard
Fotos: Roland Koella
«Wieviel gemeinsame Wertehaltung gibt es in der Typografie Europas?» Das war die Frage, die
Richard Frick dem Tag der Typografie 2006 bei der Eröffnung vorangestellt hatte.
Bei einem Projekt der Öffentlichkeitsarbeit komme es auf ein Zusammenspiel zwischen
Konstanten und Variablen an, erklärte Félix Müller. Er hat in AG mit C. Wildermuth
zum visuellen
Auftritt des Theaters am Neumarkt einen Nachschnitt der Schrift Reykjavik beigetragen.
Bei der Illustration hat Stefan Rappo neue Wege abseits der traditionellen Theaterfotografie
gesucht. Seine nachgestellten Bilder zeigen, auch wenn sie nicht auf der Bühne entstanden sind,
viel Stimmung und «Location».
Claudia Wildermuth: Auf ein strikt definiertes typografisches Raster wurde beim Neumarkt-Auftritt
bewusst verzichtet.
Das typografische Schaffen in der Slowakei wurde durch Johanna und Peter Bil'ak
nähergebracht,
von den Anfängen nach der Einführung des tschecho-slowakischen Alphabets in lateinischer
Schrift Ende des 19. Jahrhunderts bis heute. Weitgehend ausgeklammert blieb leider die Zeit der sozialistischen Republik.
Daniel Janssen erzählte vom spannenden «Abenteuer» Holzschriften, in das er durch
seine
Diplomarbeit geraten ist.
«Beim Gestalten von Banknoten hat man ständig das Gefühl, mit gefesselten Händen arbeiten
zu müssen», wusste Yves Zimmermann, in Katalonien lebender Schweizer Gestalter, zu
erzählen. Was die EU-Bürgerinnen und -Bürger im Portemonnaie herumtragen, bezeichnete er
als gestalterisch «nicht zu überbietende Mittelmässigkeit».