Trotz der – geografisch gesehen – peripheren Lage Basels hatte die Ausgabe 2005 des Tages der Typografie mit 400 Teilnehmenden einen ausserordentlichen Beteiligungserfolg auszuweisen. Unter dem Überbegriff «Transkription» machten die Veranstalter von der Mediengewerkschaft comedia Aspekte der Visualisierung in der Kommunikation zum Thema. Durch die Veranstaltung führte Dr. Bettina Richter, wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Plakatsammlung des Museums für Gestaltung Zürich und Dozentin an der Hochschule für Gestaltung und Kunst Zürich. Die 5 Referate, die am 17. Tag der Typografie gehalten wurden, sind hier kurz zusammengefasst.
In der visuellen Kommunikation hat die Form meist den inhaltlichen Vorgaben zu folgen; eine
gemeinsame Konzeption von Inhalt und Form ist nicht die Regel. Diesen Befund stellte Agnès
Laube, Dozentin an der Hochschule für Gestaltung und Kunst in Luzern, an den Anfang ihres
Referats «Pixeluniversum». Ihre Erfahrungen hat sie dort gemacht hat, wo die unterschiedlichen
Codes der Typografie und der Architektur aufeinanderprallen. Nachdem die Aufklärung die Bilder
aus dem Bewusstsein getilgt hatte, ist seit den 60er Jahren eine Wiederkehr des Bildes zu
beobachten, und gleichzeitig büsst das bisherige Leitmedium Schrift seine Dominanz ein. Im
binären Code verschmelzen die bisher eigenständigen Medien Bild und Text wie auch die
andern technisch. Alles Sichtbare wird in die gleichen digitalen Einheiten zerlegt. Der digitale
Code löst die alten Weltabbildungscodes Bild und Text dadurch aus ihrer zeitlichen Fixierung
und schafft damit ein neues integrales Bewusstsein, wie es vor der Verschriftung vorhanden war.
Die Referentin zieht deshalb in optimistischer Einschätzung die Schlussfolgerung, dass sich
daraus eine positive Rückführung auf das Individuum ergibt, wo jeder im Dialog mit anderen auf
seine Weise sinnhafte Strukturen gestaltet.
Site der Referentin: www.schoeneaussichten.ch
Megi Zumstein, Dozentin für Graphic Design an der HGK Luzern, präsentierte zunächst ihre Diplomarbeit über Visualisierung von Sprache. Untersucht wurde dabei die Umsetzung akustischer in visuelle Signale. Sprachlaute wurden anhand von Ausschlägen auf der Tonspur, der Formbildung der Lippen, dem Kondensniederschlag des Atems oder den durch den Atemstrom verursachten Bewegungen von Flammen sichtbar gemacht. Die Experimente zeigen, dass Sprache nicht so gleichförmig ist wie Schrift. Der Sinn des geschriebenen Wortes ergibt sich erst mit der richtigen Betonung. Beim Lesen wird Schrift ja nicht buchstabenweise erfasst, sondern in Wortbildern. In der Diplomarbeit wurde schliesslich experimentell versucht, Rhythmus, Betonung, Klangfarbe und Melodie der Sprache in der Typografie zum Tragen zu bringen. Die Referentin zeigte mehrere überzeugende Arbeiten, bei denen sie ihre Erfahrungen typografisch umgesetzt hat. Sie liess sich dabei davon leiten, dass jedes Sehen bewusst oder unbewusst ein Wahrnehmen von etwas Bildhaftem ist und damit Assoziationen und vielleicht auch Emotionen auslöst, die mit dem Inhalt des Gelesenen konvergieren oder auch divergieren.
Für viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer dürfte der Vortrag von Conny Löffler aus
Halle an
der Saale der erste tiefere Einblick in die Welt der Gebärdensprache gewesen sein. Die
Gehörlosen müssen noch immer um die Gleichstellung der Gebärdensprache mit der
Lautsprache kämpfen. In der Schweiz ist sie mit der neuen Zürcher Kantonsverfassung in
diesem Jahr erstmals gesetzlich anerkannt worden. Die junge Kommunikationsdesignerin, die an
der Hochschule für Kunst und Design Burg Giebichenstein, Halle, lehrt, wurde durch eine
Freundin mit einem gehörlosen Kind auf den Notstand fehlender Kinderbücher in
Gebärdenschrift aufmerksam. Zur Verschriftlichung der Gebärdensprache gibt es zwar mehrere
Ansätze, aber für den zuverlässigen Einsatz im Alltag eignete sich bis anhin keine. Die
Referentin hat sich darangemacht, mit Deafmax eine Gebärdentypografie zu entwickeln, die
diesen Mangel mindestens für den pädagogischen Bereich beheben will. Ziel ist, ein gutes
Alltagsschriftsystem zu schaffen, das mit einem Minimum an Regeln auskommt, jedoch absolut
verlässlich ist. Um gute Voraussetzungen für die technische Integration des Schriftsatzes zu
schaffen, besteht er aus vektorbasierten Zeichen. Wünschenswert wäre es, wenn er
gleichberechtigt mit den andern Zeichensätzen zum Unicode-Standard erhoben würde. Für die
endgültige Durchsetzung einer Alltags-Gebärdenschrift ist, wie die Referentin am Schluss
festhält, ein verstärkter Austausch und Dialog zwischen Fachleuten der verschiedenen
betroffenen Bereiche notwendig.
Eine Publikation über Deafmax kann hier bestellt werden:
www.signographie.de
Neue Wege der visuellen Darstellung von Daten haben Barbara Hahn und Christine Zimmermann in ihrer Diplomarbeit «Von B und C» gesucht und sich dabei in eine Art Notstandsgebiet begeben. Daten werden derzeit in aller Regel von Wissenschaftern visuell aufbereitet und nicht von Kommunikations-Fachleuten. Entsprechend sieht das Resultat aus: Je hässlicher eine Daten-Grafik ist, um so ernster scheint sie wissenschaftlich genommen zu werden. Die beiden an der Hochschule der Künste in Bern ausgebildeten Frauen unterzogen die gängige Visualisierung von Daten einer Analyse. Sie kamen dabei zum Schluss, dass die Form der Visualisierung kaum je etwas zum Inhalt beiträgt. Hier galt es, nach neuen Lösungen zu suchen. Sie verwendeten dabei die vielen Daten, die sich im Verlauf ihrer Theoriearbeit angesammelt hatten. So entwickelten sie verschiedene Arten, Daten zu visualisieren, und zwar so, dass die Daten immer einen direkten Bezug zum Inhalt haben. Zum Einsatz kamen folgende Mittel der Darstellung: Schriftgrösse, Farben, Linienformen, Fotografie, Prozentgraphen und Grundrisszeichnungen. «Es ist möglich, für jeden Inhalt eine eigene Darstellungsform zu finden,» lautete das Fazit der beiden Frauen. Eine Auseinandersetzung mit dem Dateninhalt ist aber notwendig.
Die chinesische Graphikdesignerin Yang Liu kann mit ihren 29 Jahren schon auf eine recht
erfolgreiche Karriere zurückblicken. Nach Aufenthalten in London und New York führt sie heute
ein eigenes Designstudio in Berlin, und zudem hat sie Lehraufträge in Beijing und Glasgow. Am
Tag der Typografie gab sie vorerst einen Einblick in die Entwicklung moderner Formen der
Werbung in China. Diese nahm ihren Anfang, nachdem der englische Imperialismus sich im
Ersten Opiumkrieg gewaltsam Zugang zu den chinesischen Handelsmärkten verschafft hatte.
Die Entwicklung machte einen langen Weg von den ersten Schriftplakaten bis zur heutigen
Werbegrafik, wobei die Schaffung der Volksrepublik 1948, die Kulturrevolution von 1966 und die
Neuausrichtung unter Deng 1979 wichtige Wegmarken waren. Im zweiten Teil zeigte Yang Liu
einen Querschnitt durch ihre Arbeiten. Dabei beeindruckte die Klarheit der Formen wie die hohe
Konzentration der Aussagen der meist monochrom gehaltenen Arbeiten. Die junge
Designergeneration Chinas ist im Kommen. Diesen Eindruck hinterliessen die Arbeiten, die Yang
Liu am Ende ihrer Präsentation von ihren Pekinger Studentinnen und Studenten zeigte. Sie
hatten sich in einem Workshop mit dem Thema Essen auseinanderzussetzen und es dann in
einem frei gewählten Zusatzthema zu visualisieren.
Mehr über Yang Liu auf www.yangliudesign.com
Mehr über die Referate des 17. Tags der Typografie der Mediengewerkschaft comedia ist in den «Typografischen Monatsblättern», Ausgabe 6/2005, zu erfahren. Info und Bestellung www.comediaverlag.ch.
Kathrin Melzani, Regionalsekretärin Werbung und Grafik, begrüsste die Teilnehmenden im Namen von comedia.
Bettina Richter moderierte die Veranstaltung
Agnès Laube: «Wir sind Planeten unter Planeten: jeder eine Welt für sich und Teil einer Galaxie»
Megi Zumstein untersuchte visualisierte Sprache
Conny Löffler: «Bis die Gebärdenschrift so selbstverständlich wird wie die Lautschrift, bleibt noch viel zu tun»
Christine Zimmermann und Barbara Hahn suchten nach neuen Wegen der Visualsierung von Daten
Yang Liu brachte am Tag der Typografie chinesische Grafik näher