Ein Tag der Typografie 2003
Das war der Tag – eine Zusammenfassung
Der 15. Tag der Typografie gehört der Vergangenheit an. Gegen 250 Teilnehmerinnen und
Teilnehmer liessen sich durch die Referentinnen und Referenten mit unterschiedlichen
Ansätzen ins Thema «Plakativ» einstimmen. Wir haben die Beiträge hier zusammengefasst.
Ausführlicher sind sie in Ausgabe 5/6 der Typografischen Monatsblätter besprochen. Die TM
können
über das Web bestellt werden.
Das Agitationsplakat hat noch längst nicht ausgedient
«Wollen Plakate politische Inhalte transportieren, die gegen die vorherrschende
Staatsideologie opponieren, so sind auch sie weitaus wirkungsvoller, wenn sie in guter Form
daherkommen.» Diese These stellte Bettina Richter an den Anfang ihres Referates über
«Ästhetik des Widerstands». Diese Erfordernis werde noch verstärkt durch veränderte
kulturelle, gesellschaftliche und mediale Rahmenbedingungen sowie die kommerzielle
Besetzung des öffentlichen Raums. Das gut gestaltete engagierte Plakat ist trotz neuer
technologischer Rahmenbedingungen und den entsprechenden Möglichkeiten medialer
Einflussnahme noch immer das geeignetste Massenmedium, um aus einer oppositionellen
Haltung heraus in Diskurse einzugreifen und die Herrschenden zu verunsichern. Nach einem
Tour d'horizon durch die Geschichte des politischen Plakats rief die Referentin die
Plakatdesignerinnen und -designer dazu auf, im Vertrauen auf die visuelle Kraft der Bilder die
Chancen zu nutzen, politische und soziale Themen in die Öffentlichkeit zu tragen, mittels des
Plakats Diskussionen anzuregen und zu flankieren und so wirksam in ein konsumorientiertes,
konsumdominiertes Umfeld zu intervenieren.
Das Interessante spielt sich an den Rändern ab
Der Willisauer Gestalter Niklaus Troxler zeigte anhand seiner Kulturplakate die Entwicklung
seines Schaffens. Immer wieder bestrebt, aus der Routine auszubrechen, zeigen seine
Plakate für die Willisauer Jazztage und andere Veranstaltungen ein ausserordentliche Vielfalt
an Techniken und Botschaften. Oft liess er sich von Charakteristiken und Eigenschaften der
im Mittelpunkt der Veranstaltung stehenden Künstler leiten und setzte sie in der Gestaltung
um. Oft liess er sich dazu hinreissen, mit den Rändern zu arbeiten, schliesslich würden sich
«ja auch in der Gesellschaft die spannendsten Dinge an den Rändern und nicht im Zentrum
abspielen». Nicht selten arbeitete er mit Messer und Schere; später, auf dem Mac, machte er
die Flächen auch schon mal mit der Maus. So oder so brauche es aber den Mut, an den so
entstandenen Formen nicht mehr wesentliches zu ändern. Auch der Musiker könne Takte,
die nicht optimal gelungen sind, nicht einfach wiederholen, sondern müsse sie nun einmal so
stehen lassen. Solche Parallelen und Wechselseitigkeiten zwischen Musik und Gestaltung
prägten Troxlers Plakatschaffen stetig.
Werbung läuft der Kunst in der Vermittlung kultureller Werte den Rang ab
Der Kölner Photograf Max Regenberg dokumentiert seit den 70er Jahren kommerzielle
Plakate fotografisch, abgelichtet an ihren Standorten. Spannend dabei ist, dass so nicht nur
eine Entwicklung der Plakate wahrnehmbar ist. Augenfällig ist auch, wie sich in dieser Zeit
der Kontext geändert hat. Sind auf den früheren Aufnahmen, die meistens im Ruhrgebiet
entstanden, in der Umgebung noch rauchende Fabrikschlote zu sehen, kommunizierten die
Plakate bereits die Bildersprache der heutigen visuell-telematischen Welt. Regenberg liest
aus seiner Dokumentation einen Prozess heraus, wonach die Werbung zusehends einen
Status erreicht, in dem sie in Konkurrenz zur Kunst als Träger und Vermittler kultureller
Werte auftritt.
Plakate der Autonomen: oft Selbstbilder der Bewegungen
Über Selbstbilder und Darstellungen des Gegners auf politischen Plakaten sprachen Markus
Mohr und Sebastian Haunss. Als Mitautoren zweier Bücher über Plakate der autonomen
Szene haben sie festgestellt, dass soziale Bewegungen auf ihren Plakaten im allgemeinen
auf die Attraktivität ihres eigenen Handelns setzen. Menschen werden in der Regel als
handelnde Menschen dargestellt. Ihren politischen Gegnern räumen sie auf ihren Plakaten
so wenig Raum wie möglich ein, obwohl die Auseinandersetzung mit ihnen im
Bewegungsalltag im Vordergrund steht. Ausnahmen werden zuweilen dann gemacht, wenn
mit der Abbildung eines Polizeieinsatzes dessen Brutalität dokumentiert werden soll. Statt
den Gegner zu personalisieren, suchen die Plakatmacherinnen und -macher im allgemeinen
aber doch eher nach gegenständlichen oder abstrakten Darstellungsformen. In den Plakaten
der Autonomen sehen die Referenten oft eine Illustration der kollektiven Selbstbilder der
Bewegungen, auf denen das handelnde «Wir» einen bildlichen Ausdruck findet.
Literatur: «vorwärts bis zum nieder mit», 288 Seiten, 49,80 DM, mit CD mit
8000 Plakatabbildungen, ISBN 3-935936-05-2, Verlag Assoziation A. plakate.nadir.org.
Kommunikationsarbeit, wenn viele mitreden
Eva Schätti und Stefan Sägesser von der Luzerner Agentur Velvet Creative
Office präsentierten ihre Kampagne für das Luzerner Theater. Im Zuge der neuen Intendantur von
Barbara Mundel im Jahre 1999 galt es, mit flankierender Öffentlichkeitsarbeit das Theater
auch bei Jüngeren wieder populärer zu machen. Ein neues Erscheinungsbild sollte zu
diesem Zwecke zu einer Marke aufgebaut werden. In der grafischen Umsetzung wurde
konsequent eine progressive Bildwelt durchgezogen, während in der Schriftwahl dann auf die
gut lesbare, aber eher zeitlose Helevtica zurückgegriffen wurde. Die Leute von Velvet
erlebten mit der gesamten Theater-Crew eine turbulente Zeit, Anfechtungen eines Teils des
traditionellen Theaterpublikums standen vermehrtem Zuspruch durch jüngere
Theaterbesucherinnen und -besucher gegenüber. Das schlägt sich heute, am Ende der
Intendantur Gundel, in der Bilanz nieder: Das Alter der Besucher hat sich von
durchschnittlich 68 Jahren auf 45 Jahre gesenkt. Der Abonnentenstand konnte um 450
Neuabonnenten angehoben werden. Die Besucherzahlen fielen zwar im ersten Jahr von 64
auf 48 Prozent, liegen heute aber wieder bei 55 Prozent. «Kunst, und damit auch
Kommunikation für Kunst, ist dann besonders schwierig, wenn diese Kunst von der
Allgemeinheit subventioniert wird,» ist eine wesentliche Erfahrung der Velvet-Leute.
Fingerspitzengefühl, Durchhaltevermögen, Mut und klare Ziele sind nötig, um die Pläne zum
Erfolg zu führen.
Nationale Identitäten in der Schrift
Mit nationalen Eigenheiten, welche Schriften zuweilen zugeordnet werden, ist es so eine
Sache. Bodoni gilt als typisch italienische Schrift, die Janson hingegen als urholländische
Type. Alles falsch, so der niederländische Designer und Schriftschöpfer Gerard Unger,
Bodoni hat beim französischen Schriftschöpfer Didot abgekupfert, und die Janson entstand
zwar in den Niederlanden, aber aus der Hand des Transsilvaniers Miklós Kis. Anderseits
zeigte Unger dann mit Virtuosität und nicht immer ganz ernst gemeinten Anmerkungen auf,
dass sich im internationalen Schriftschaffen auch im Zeitalter der Globalisierung nach wie vor
nationale Identitäten ausbilden. Diese Bestrebungen schlagen sich nicht nur in
charakteristischen Formgebungen nieder, sondern auch in Versuchen, mit neuen Ligaturen
oder sogar gelungenen Schriftschnitten sprachtypischen Charakteristiken Rechnung zu
tragen.