Der Andrang zum Tag der Schrift an der Berufsschule für Gestaltung Medien Form Farbe, Zürich, hat sich für die dritte Auflage der Veranstaltung nochmals gesteigert. Rektor Fritz Maurer sowie Promotor Richard Frick freuten sich darüber. 250 am Schriftschaffen Interessierte warteten gespannt, was ihnen die «hochkarätigen Referenten» (so Richard Frick) zu bieten haben.
Einen Blick in die Werkstatt des Schriftdesigners liess Ole Schäfer, Geschäftsführer
der
Primetype Berlin, die Anwesenden werfen. «Den Computer lasse ich am Anfang mal
beiseite,» meinte der Typedesigner zu den ersten Schritten, wenn er ans Entwerfen
einer neuen Type geht. Denn mit Skizzieren sei man einiges schneller beim Erarbeiten
der Grundzüge einer neuen Schrift. Bei der Umsetzung der Idee, die am Anfang unbedingt
vorhanden sein muss, wenn die Schrift Identifikation erzeugen soll, beschränkt er
sich vorerst auf das Zeichnen von Elementen. Beim Zusammensetzen der ganzen
Buchstaben können sie nachher oft mehrfach verwendet werden. Und auch bei den
kompletten Lettern verzichtet er vorerst darauf, die Anschlüsse zu verbinden, solange
das endgültige Outline nicht feststeht, damit leichter korrigiert werden kann. Meist
beginnt er mit der Buchstabengruppe a g e n d, womit sich vor allem die Binnenräume
gut beurteilen lassen. Am Beispiel seiner FF Fago zeigte er, dass das Entstehen einer
Schrift und ihr Ausbau prozesshaft ist. Vieles muss dabei Zeit haben zu reifen. Es
könne vorkommen, dass er einen Entwurf zwischendurch einen ganzen Monat liegen lasse, bis
er sich wieder seiner annehme.
www.primetype.com
Das poesievoll anmutende Thema fand mindestens im Aldus-Blatt der bei Linotype neu
aufgelegten Palatino eine bildliche Entsprechung. Othmar Hoefer wusste darüber hinaus
aber noch viel Interessantes zu Überarbeitungs-Vorhaben der Linotype-Library zu
sagen. Das eine betrifft die Avenir Frutigers. Der Altmeister beseitigt gemeinsam mit
Lintotypes Schriftdesigner Akira Kobayashi gewisse Schwächen dieser erfolgreichen
Schrift, die sich durch den Wandel in der Satz- und Drucktechnik mit der Zeit bemerkbar
gemacht haben. Im gleichen Zuge wird die Avenir mit den Strickstärken Ultralight und
Condensed ergänzt und so zu einer gut ausgebauten Schriftfamilie. Mit einem andern
grossen Schriftschöpfer, Hermann Zapf, hat Kobayashi einige von dessen Schriften neu
gezeichnet. An der Palatino nova wurden die Serifen leicht gerundet und etwas weniger
betont. Diese Renaissance-Antiqua wurde zudem variiert mit einer Buch-Version
namens Aldus Book, einer serifenlosen Palatino Sans, und der Palatino nova Titling, die
auf der Michelangelo basiert. Auf einer andern einst bei Stempel erschienenen Type,
der Sistina, baut die majestätisch wirkende Palatino nova Imperial auf. Ein Redesign
erlebt auch die Optima, in den 50ern als damals originell wirkende serifenlose Antiqua
aus der Hand Zapfs entstanden. Die Optima nova wurde jetzt mit zusätzlichen
Strichstärken und echten Kursiven versehen. Mit Olaf Leus Compatil hat sich Linotype
daran gewagt, eine Schrift mit 4 unterschiedlichen Stilen – Renaissance, Grotesk,
Egyptienne und Barock – herauszugeben, die genau gleich laufen und so problemlos
mischbar sind. Die Ziffern sind zudem über alle Strichstärken systematisch. Man ist
gespannt, einmal Beispiele gemischter Anwendung der Compatil zu Gesicht zu bekommen.
Fast keine kalligraphischen Wünsche offen lässt die Zapfino extra. Mit Tastendruck
lassen sich die einzelnen Buchstaben und Texte mit kalligraphischen Zusätzen
aller Art versehen.
www.linotype.com
Mit dem in Berlin wirkenden Luc de Groot, Inhaber von LucasFonts, präsentierte sich
am Tag der Schrift ein Schriftdesigner, der grosse Erfahrung in Corporate-Schriften hat.
Die Hausschrift von Volkswagen, eine weiter entwickelte Futura, legte er in 6 Sprachvarianten
um. Die brasilianische Zeitung «Folha», wie «Le Monde» in Frankreich oder
die deutsche «Tageszeitung» arbeiten mit Schriften, die de Groot für sie gezeichnet hat.
Daneben zählen auch Konzerne wie Sun Microsystems oder Heineken zu seinen Kunden.
Luc de Groot hat eine Interpolationstheorie zur Abstufung der Strichstärken entwickelt.
Um eine regelmässige Abstufung der einzelnen Strichstärken zu erreichen,
muss sie von Stufe zu Stufe nicht linear, sondern potenziell gesteigert werden. Diese
Theorie hat er in seiner äusserst grosszügig ausgebauten Thesis-Familie umgesetzt.
Und schliesslich demonstrierte er noch seine Software Kernologica, die das Kerningverhalten
der Schrift sprachspezifisch steuert.
www.lucasfonts.com
Die Faszination, welche die arabische Schrift auszulösen vermag, sieht der arabische
Kalligraph Daniel Reichenbach ihrer Formensprache geschuldet. In ihr seien sowohl die
Form des Schilfgrases mit dem dynamischen Übergang von breit zu spitz auslaufend
als auch die sanften Kurven der Wüste zu assoziieren. Er befasst sich seit 13 Jahren
intensiv mit der arabischen Schrift und ist diesbezüglich hierzulande zu einem Experten
geworden. Er unterrichtet in arabischer Schreibkunst und organisiert Studienreisen. Die
älteste Form der arabischen Kalligrafie ist die Kufi, benannt nach der Stadt Kufa im heutigen
Irak, die ein bedeutendes frühislamisches Zentrum war. Aus ihrer archaischen
Form entwickelten sich zahlreiche Varianten, zum Teil kunstgewerbliche zur Verwendung
an Bauten, aber auch regionale Abarten im Maghreb oder in Persien.
Um etwa 900 unserer Zeitrechnung entstanden die kursiven Formen, unter anderen die
Neskhi, die als bestlesbare Schrift gilt. Reqa schliesslich, die zur Volksschrift im Alltag
wurde, entstand vor etwa 600 Jahren in der Verwaltung als Kanzleischrift. Ihre «hängende»
Form ergibt sich daraus, dass bei jedem Wort der nachfolgende Buchstabe
etwas tiefer steht als der vorausgegangene. Auch am arabischen Schriftschaffen geht
der Puls der Moderne nicht spurlos vorüber; der Computer hat auch hier im Font Design
Einzug gehalten. Aber es hält sich zum grössten Teil an die traditionelle Formensprache.
Ungebrochen ist die Bedeutung der Kalligrafie in der arabischen Schrift. Bedeutende
Namen, die für neue Entwicklungen in der arabischen Kalligrafie stehen, sind
Hassan Massoudy oder Munir El-Shaarani. Zu den Traditionalisten der zeitgenössischen Kalligrafinnen und -grafen zählen Soraya Syed und Mehmed Özcay,
www.arabische-kalligrafie.ch,
www.kubri.ch
«Von Akkurat bis ZYX Records» überschrieben Laurenz Brunner und Marco Walser,
zwei Repräsentaten des Schriftenkollektivs Lineto, ihren Beitrag über aktuelle Typografie.
A wie «Akkurat» steht für eine neu designte Schrift von Laurenz Brunner, die in 3 Strichstärken und mit je einem Kursivschnitt bei Lineto vorliegt. Bei B wie «Brauer»
machten die Anwesenden mit einer besonderen Trouvaille Bekanntschaft: In den Räumen der ehemaligen
Brauerei Hürlimann in Zürich entdeckten Leute von Elektrosmog eine Hausschrift, die für alle erdenklichen Zwecke, von der Kühlraum-Beschilderung
bis zur Flaschenetikette, verwendet wurde. Es handelte sich um eine kompakte,
schmal-fette, leicht gerundete Grotesk. Sie wurde notabene von Pierre Miedinger,
einem Neffen des Helvetica-Schöpfers Max Miedinger, speziell für Hürlimann gezeichnet.
Elektrosmog hat die Schrift überarbeitet, und seither steht sie im Angebot von Lineto.
Auf dem weitern Gang durchs Alphabet wurden viele teils eher interessante, teils witzige
Hinweise zum Thema gemacht, die zum grössten Teil auf dem Website von Lineto
wiederzufinden sind.
www.lineto.com